Im Jahr 2006 ging in der Stadt Oaxaca in Mexiko die Lehrer*innen-Gewerkschaft auf die Straße. Am 14. Juni wurden die Protestierenden von der Polizei brutal angegriffen, woraufhin sich ein großer Teil der Bevölkerung Oaxacas mit den Protestierenden solidarisierte und der Protest so zu einem der größten seit dem Aufstand der Zapatisten in Chiapas 1994 wurde. Seitdem ist Oaxaca auch für europäische soziale Bewegungen eine Referenz. Für uns besonders interessant ist die Tatsache, dass sich dort seit 2006 vermehrt Künstler*innen organisieren um ihr Schaffen für soziale Bewegungen und politische Kämpfe nutzbar zu machen (vgl. La guillotina and Casa Vieja 2013).
An einem Sonntagabend im April 2015 kamen wir in Oaxaca an. Die Suche nach etwas zu essen führte uns in die Nähe des Zócalo und schon überwältigte uns die enorme Präsenz, mit welcher die oaxaqueñische soziale Bewegungen ihre Forderungen im öffentlichen Raum kundtun. Kaum eine Hausfassade auf der nicht die eine oder andere Botschaft hinterlassen wurde, in simplen Buchstaben gesprühte Parolen, aufwendige Stencils oder bunte Plakate… Fast alle Stände der Straßenverkäufer*innen sind mit einem Plakat ausgestattet, welches die Verhaftung oder Verschleppung von Genoss*innen anklagt. Der Zócalo selbst und einige umliegende Straßen sind von der Lehrer*innen-Gewerkschaft und anderen Gruppierungen besetzt. Große Banner stellen deren Forderungen klar, vor Zelten sitzen Grüppchen zusammen, essen, diskutieren, gehen Alltagstätigkeiten nach…
Am nächsten Tag besuchten wir das Künstler*innen-Kollektiv „ASARO“ in deren selbstverwalteten Werkstatt, dem Espacio Zapata. ASARO, die „Versammlung Revolutionärer Künstler*innen Oaxacas“, entstand während der Proteste 2006 als Versuch diese mit künstlerischen, graphischen und interventionistischen Mitteln möglichst effektiv zu unterstützen (vgl. z.B. ASARO, Rosa, and Schadl 2014). Der Espacio Zapata ist schon von weitem zu erkennen, ist doch der größte Teil der Fassade derzeit bemalt mit einem Wandbild, welches einen jüngeren Fall brutaler institutioneller Gewalt anklagt. Im September 2014 wurden 43 Studierende aus Ayotzinapa von staatlichen Akteuren gewaltsam verschwunden gelassen. Bis heute ist der genaue Verlauf der Geschehnisse nicht aufgeklärt, nicht zuletzt, weil staatliche Institutionen an tatsächlicher Aufklärung nicht besonders interessiert zu sein scheinen. Das einzige was wirklich sicher ist, kann man auf den Wänden der Stadt lesen: „Es war der Staat!“ und „Lebendig wurden sie mitgenommen, lebendig wollen wir sie zurück!“
Im Gespräch mit Mitglieder*innen ASAROs tauschten wir uns über unsere jeweiligen Erfahrungen mit Bemalungen im öffentlichen Raum und mögliche Verbindungen von Kunst und politischem Aktivismus aus. Schließlich luden diese uns ein, einen Teil der Außenwand des Espacio Zapata zu gestalten. Diese Bemalung wurde Anlass für eine Diskussion über Gemeinsamkeiten und Unterschiede antikapitalistischer Kämpfe in Europa und Mexiko, sowie über die Herausforderungen und Repression, mit welchen sich diese in verschiedenen Kontexten konfrontiert sehen.
In Dankbarkeit und tiefer Verbundenheit verabschiedeten wir uns von ASARO, voller Vorfreude auf zukünftige Kollaborationen in einer Welt, in die viele Welten passen…
ASARO, Mike Graham de La Rosa, and Suzanne M. Schadl 2014 Getting Up for the People: The Visual Revolution of ASAR-Oaxaca. Oakland, CA: PM Press.
La guillotina, and Casa Vieja, eds. 2013 Oaxaca en movimiento: la gráfica en la resistencia popular oaxaqueña. Tlalnepantla.