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Im Rahmen eines zweimonatigen Workshops in der Peripherie São Paulos bemalten wir gemeinsam mit jungen Menschen, die im Zuge einer Bewährungsstrafe wöchentlich bei einer betreuenden NGO erscheinen müssen, die Wände des Innenhofs dieser Organisation.
Befreundete Pädagogen, die für diese NGO sind, hatten uns für dieses Projekt angefragt, um dem großen Interesse an Graffiti, oder allgemeiner, Kunst im öffentlichen Raum gerecht zu werden, welches die teilnehmenden Personen in früheren Projekten geäußert hatten. Tatsächlich wurde bereits bei den ersten Treffen klar, dass nicht nur Interesse, sondern in vielen Fällen auch schon Erfahrungen mit dem Bemalen/Beschreiben von Flächen im öffentlichen Raum vorhanden waren.
„Menor da Quebrada“ heißt im Dialekt São Paulos so viel wie: „Minderjährige/Minderjähriger aus dem schwierigen Stadtteil“. In der „Quebrada“ zu leben bedeutet wohl möglich schon in frühester Kindheit mit Gewalt, mit extremer Armut, und illegalisierten Geschäften als scheinbar einzigem Ausweg aus dieser, konfrontiert zu werden. Doch neben diesen medienwirksamen Themen sind es vor allem die weniger spektakulären, alltäglichen Probleme die die Jugendlichen beschäftigen – harte, miserabel bezahlte Arbeit zu unsicheren Bedingungen, Immobilität durch schlechte Anbindung an den unbezahlbar teuren öffentlichen Nahverkehr, usw. Während allen Phasen des Projekts – Einführung in
Geschichte und Gegenwart künstlerischer Intervention im öffentlichen Raum, Anfertigung von Skizzen, und schließlich die eigentliche Wandbemalung – nutzten wir die Bemalung als Anlass diese Probleme zu diskutieren. Doch neben Themen wie Polizeigewalt, (Il-)Legalität und, nicht zuletzt, der Rolle des brasilianischen Staats in den marginalisierten Stadtteilen der Metropole, sprachen wir auch über jene Aspekte des Lebens in der „Quebrada“, die den Jugendlichen vor freudiger Erregung die Augen aufleuchten lassen: das Basteln und Steigenlassen von „Pipas“, den typischen selbstgebauten Drachen der brasilianischen Vorstädte; die durchgefeierten Nächte auf Baile Funk Parties; das Fussballspielen mit den Kindern aus der Nachbarschaft; und schließlich „Pixo“, das Anbringen des eigenen Spitznamens auf allen nur erreichbaren und unerreichbaren Flächen im öffentlichen Raum. Diese Themen fanden bei der Motivfindung besondere Beachtung und tauchen so auch in der Bemalung auf.
Trotz allgemeiner Zufriedenheit über Verlauf und Resultat des Projekts blieb bei vielen der Teilnehmer_innen vor allem der Wunsch möglichst bald ein weiteres, umfangreicheres Bemalungsprojekt durchzuführen, aber nicht im geschlossenen Raum einer Organisation die Teil des Strafsystems ist, sondern im öffentlichen Raum, „auf der Straße des Viertels“.
Um die Privatsphäre der Teilnehmenden zu schützen, und mit Rücksicht auf das brasilianische Estatuto da Criança Adolescente (ECA) können wir hier keine Fotos oder Informationen aufführen, die die Identität einzelner Personen oder Organisationen offenlegen.